Urkunde von 1613

Urkunde vom 10.Juli 1613

Die Stadt Bern bewilligt Langenthal Korn-, Kaufhaus und Wochenmarkt. Bild der Urkunde, Transskripiton der Urkunde.

Die Urkunde von 1613 ist lokal- und regionalgeschichtlich von entscheidender Bedeutung: Langenthal wird vom st. urbanischen Bauerndorf zum altbernischen Marktflecken, dadurch 1704 Sitz der Krämerzumft der oberaargauischen Ämter Wangen, Aarwangen und Bipp; 1793 zur Stadt in Handelssachen; nach dem Umbruch von 1798 Gewerbezentrum und als Folge des Bahnanschlusses von 1857 Wirtschafts-, Industrie-, Dienstleistungs- und Bildungszentrum der Region.

Wir Schuldtheis Unnd Rhatt der statt Bern 1 thundt khundt hiemit; alsdann uns

die unseren lieben gethrüwen von Langenthall, und harumb gesässne Landtlüth, In gebürender de=

mut pitlich ankhort. 2 Innen zegestatten das umb mehrer Irer khommlig- 3 und Nutzbarkeyt willen,

daselbst zu Langenthall ein “Kouff- und Kornhus, ufgerichtet werden, und sy 4 Ir getraydt daselbst

feil haben, und verkhouffen mögend. Das wir uns In betrachtung bemelter 5 der unseren Nütz=

lichen und uns angenemmen vorhabens, Zu Irer bitt gnedig geneigt. und Innen Ein wuchenmärit

zugelassen, und bewilliget, an vermeltem orth Langenthall, ein Korn- und Kouffhus ansächenlich

und bequämmlich ufzerichten, Ir getreyt wuchentlich uf einen Zinstag, 6 daselbst offentlich feill

zehaben, und zeverkhouffen; Jedoch und mit diser usbedingung das söllicher buw In Iren

selbs eignen cösten, ohne unsere beschwärd 7 ufgerichtet und glychmässig in buwlichen erforder=

lichem wässen und esse 8 erhalten, und dan uns der halbige huslohn 9 so von des getreydts

wegen bezogen wirt, zustahn und gevolgen sölle; Alles so lang es uns belieben und

gefallen wirt. Welcher unser gnedigen Verwilligung wir berürten den unseren

disere Patent, mit unser Statt secret ynsigell verwart, zugestelt, Beschechen 10 den zäch-

endem tag höüwmonats, 11 als man zalt tussendt sächshundert und dryzechen Jare %

1613

//wuchenmärit angestellt

und uff sölch end hin ein
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Legende - Erläuterungen zum Text

1 Schultheiss (Stadthaupt) und Rat (Kleiner oder Täglicher Rat; zuerst 12 dann 27 Mitglieder) bildeten bis 1798 faktisch den Souverän der Republik Bern. - Der Grosse Rat, ebenfalls allesamt Bernburger, dessen Zahl bis 400 steigen konnte, blieb rechtlich das oberste Ratsgremium Berns, hatte aber mit Ausnahmen nur noch beratende Funktion. Schultheiss 1613 war, im Wechsel mit Johann Rudolf Sager, Albrecht Manuel, Enkel des berühmten Malers, Dichters und Politikers Niklaus Manuel.
2 pitlich ankhort = bittend angehört
3 khommligkeyt = Passlichkeit, Annehmlichkeit
4 sy = sie (die Langenthaler)
5 bemelter = gemeldeter, eben genannter (von melden)
6 Zinstag = Dienstag (bis heute der Dienstagsmarkt)
7 beschwärd = Beschwerde, Last; hier finanziellen Beitrag
8 wässen und esse = Wesen und Sein, Dasein, Zustand (lat. esse = sein)
9 huslohn = Depotgebühr für Getreidelagerung
10 beschechen = geschehen im Sinne von “beurkundet am”
11 höüwmonats = Heumonats, Juli. Im altrömischen Kalender julius, nach Julius Caesar (100-44 v. Chr.). Von Karl dem Grossen um 800 n. Chr. auf Hewimanoth umbenannt
12 wuchenmärit angestellt und uff sölch end hin (Einschiebsel mit Zeichen, Zeile 6/7)

Transkription und Erläuterungen
von Dr. Max Jufer, Historiker, Langenthal
August 2012